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Presse

Zwischen Neckar und Alb

Das Herz muss immer auf Sendung sein

 

Lebenseinstellung Deutschlands ältester Reggae-DJ sendet aus dem Berberdorf in Esslingen per Internet in alle Welt. Er engagiert sich auch für Flüchtlinge.

Von Alexander Maier

Die Arbeit als Moderator und DJ ist für Reggae Daddy zum Lebensinhalt geworden. Foto: Bulgrin

In seinem Ausweis steht der Name Wolfgang Pasa, doch der hat schon lange keine Bedeutung mehr für ihn. Reggae Daddy DJ Mombo, so nennt er sich seit einigen Jahren, so kennt und schätzt man ihn in der Musikszene und so geht er regelmäßig auf Sendung. Das Studio von Deutschlands ältestem Reggae-DJ ist so ungewöhnlich wie er selbst: Er sendet aus einer Hütte im Berberdorf unter der Esslinger Vogelsangbrücke. Dort hat er alles, um Programm zu machen. Und man muss nicht überlegen, welche Musik er per Internet hinaus in die Welt schickt: natürlich Reggae - jene Musik, die seinem Lebensgefühl perfekt entspricht.

Reggae Daddy hat im Esslinger Berberdorf eine Bleibe gefunden. Dieses bundesweit einmalige Projekt, eine Hüttensiedlung für Menschen in Wohnungsnot, wird von der Evangelischen Gesellschaft getragen. Als Obdachlosen will sich Reggae Daddy jedoch nicht bezeichnen: „Ich habe ein Dach über dem Kopf - dass meine Lebensumstände anders sind als die der meisten Menschen, ist gar nicht so entscheidend.“ Früher, als man ihn noch Wolfgang nannte, ist er im Badischen aufgewachsen. Er hat eine Ausbildung als Fotograf begonnen, doch schon da hat ihm das Schicksal übel mitgespielt: Kurz vor der Prüfung ging sein Ausbildungsbetrieb pleite und keiner ließ ihn mehr den Abschluss machen. So hat er sich einige Jahre als Helfer im Bau- und Kfz-Gewerbe verdingt, bis ihm die Bandscheibe einen Strich durch die Rechnung machte. Mit dem Job ging auch die wirtschaftliche Basis flöten, er lebte in einem Abbruchhaus und wurde obdachlos.

Wenn man ihn auf sein Leben anspricht, kann Reggae Dad­dy stundenlang erzählen - auch davon, wie er in den 90ern seine spätere Frau kennenlernte: eine Kame­runerin, mit der er zwei Jahre zusammen war. Dann war dieses Kapitel beendet. „Schließlich habe ich mein letztes Geld zusammengekratzt und bin nach Kamerun gereist“, erinnert er sich. Die Begegnung mit seiner Frau und deren Familie hat seine Begeisterung für den afrikanischen Kontinent geweckt. „Eigentlich wollte ich nur für ein paar Monate bleiben. Dann ha­be ich jemanden vom Radio getroffen, der meine Begeisterung für Reggaemusik gespürt und gefragt hat, ob ich eine Sendung machen möchte.“ So ist aus Wolfgang Pasa der Reggae Daddy geworden. Den Namen verdankt er seinem jüngsten Sohn - einem von fünf Kindern, auf die er mächtig stolz ist. DJ Mombo wird er seit dieser Zeit genannt: Mombo steht für Bruder oder bester Freund.

Manche haben vor Mikrofonen einen Heidenrespekt - zu denen hat Wolfgang Pasa nie gehört: Mit 13 Jahren wurde er Sänger der Schulband Blueswurscht, zwei Jahre später hat er eine Band gehört, die auf die Hits des jamaikanischen Reggae-Königs Bob Marley abonniert war: „Da wurde mir klar, dass das mein Sound ist. Anfangs hat mich die Musik fasziniert, doch mit der Zeit haben sich auch die Texte immer besser erschlossen.“ Vor allem zwei Marley-Songs haben es ihm angetan: „Get up, stand up“ und „Buffalo Soldier“. „Diese Musik trifft mich mitten in Herz und Seele“, sagt der 56-Jährige. „Es geht um Freiheit und gegen jede Unterdrückung, und über allem steht die Botschaft, dass wir alle nur dann ein gutes Leben haben können, wenn wir in Liebe, Frieden und Einigkeit zusammenleben.“

Solche Gedanken hat Reggae Daddy in seinen Sendungen in Kamerun unters Volk gebracht, und als es ihn zurück nach Deutschland zog, ist er dem Mikrofon treu geblieben. Er bekam Kontakt zum Freien Radio Stuttgart und zur Wüsten Welle, längst ist er auch im Internet auf Sendung. Und seine Fans schalten ein, wann immer er am Mikro sitzt. Früher bedeutete Radio einen immensen technischen Aufwand - im Internet-Zeitalter kann die kleinste Hütte zum Sendestudio werden. Dass sich jemand, der im Berberdorf lebt, im Lauf der Jahre die nötige technische Ausstattung anschaffen konnte, mag verblüffen. „Jeden Cent habe ich mir erspart“, sagt er. „Ich bin unheimlich sparsam und versuche, mit ganz wenig auszukommen. Und manchmal steckt mir auch jemand etwas zu. Wenn ich dann genügend Geld beisammen habe, kann ich mir einen weiteren Baustein für meine Ausrüstung kaufen.“

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